Abschaffung der „kalten Progression“
Zur Abfederung der derzeitigen Preissteigerungen in vielen Wirtschafts- und Lebensbereichen wurde vom Gesetzgeber im Rahmen des Teuerungs-Entlastungspakets Teil II nun auch die Abschaffung der „kalten Progression“ in Angriff genommen und im Juli ein diesbezüglicher Gesetzesentwurf zur Begut-achtung versandt.
Die finale Gesetzwerdung bleibt abzuwarten. Nachfolgend werden die näheren Details der neuen Regelungen im Überblick dargestellt.
Dem österreichischen Einkommensteuergesetz lag bisher ausschließlich das „Nominalwertprinzip“ zu Grunde, wonach für die Einkommensbesteuerung nur der zahlenmäßige, nicht aber der tatsächliche Geldwert maßgebend ist. Im Falle von Preissteigerungen entspricht der nominelle Einkommenszuwachs jedoch nicht dem realen Einkommenszuwachs. Der progressive Einkommensteuertarif führt im Zeit-verlauf zum Effekt der „kalten Progression“, da die Schwellenwerte des progressiven Steuertarifs nicht an die Preissteigerungsrate angepasst wurden. Mit den beabsichtigten Änderungen im EStG sollen diese Schwellenwerte mit Wirkung ab dem Jahr 2023 jährlich an die Inflationsrate (Teuerungsrate) angepasst und damit der „kalten Progression“ begegnet werden.
Im Einzelnen betrifft dies:
- die Grenzbeträge der jeweiligen Progressionsstufen, die für die Anwendung der Steuersätze für Einkommensbestandteile bis € 1 Mio. maßgebend sind (Einkommensbestandteile, die der höchsten Tarifstufe von 55 % unterliegen, sollen nicht entlastet werden);
- der Alleinverdiener- und Alleinerzieherabsetzbetrag sowie der Unterhaltsabsetzbetrag,
- der Verkehrsabsetzbetrag, der erhöhte Verkehrsabsetzbetrag und der Zuschlag zum Verkehrs-absetzbetrag,
- der Pensionistenabsetzbetrag,
- die Erstattung des Alleinverdiener- und Alleinerzieherabsetzbetrages sowie die SV-Rückerstattung und der SV-Bonus.
Das maßgebliche Volumen für die Inflationsanpassung, das sich – vereinfacht ausgedrückt – aus der Differenz des Einkommensteueraufkommens mit und ohne Inflationsabgeltung ergibt soll jährlich durch einen wissenschaftlichen „Progressionsbericht“ festgestellt werden.
Die Inflationsanpassung wird dann durch zwei sich ergänzende Maßnahmen umgesetzt, nämlich durch eine
- automatische Anpassung der relevanten Tarifgrenzen im Ausmaß von zwei Drittel der Inflation sowie einem
- jährlichen Gesetzesvorschlag der Bundesregierung über die Verwendung des restlichen Drittels, worin entsprechende Entlastungsmaßnahmen für Bezieher von Einkünften enthalten sind.
Als maßgebende Inflationsrate wird der durchschnittliche Wert der Inflationsrate (Basis VPI, veröffentlicht von der Statistik Austria) vom Juli des vergangenen Jahres bis zum Juni des laufenden Jahres herangezogen. Die Anpassung gilt ab dem Folgejahr. Basierend auf den VPI-Werten von Juli 2021 bis Juni 2022 beträgt die im Jahr 2023 auszugleichende Inflation 5,2%. Davon werden 2/3 für die automatische Anpassung der relevanten Tarifgrenzen wirksam, somit 3,5%. Das für eine zusätzliche Abgeltung vorgesehene Restvolumen für 2023 beläuft sich auf € 617 Mio.
Der vorliegende Entwurf sieht derzeit keine Inflationsanpassung für den Kinderabsetzbetrag, den Familienbonus Plus, den Pendlereuro und den Kindermehrbetrag vor.
Die neuen Bestimmungen sollen grundsätzlich ab der Veranlagung für das Kalenderjahr 2023 (bzw bei Lohnsteuerpflichtigen für Lohnzahlungszeiträume ab 1.1.2023) gelten.
Indexierung von Sozialleistungen
Vor dem Hintergrund der anhaltenden Inflationsraten ist auch die Indexierung von Sozialleistungen geplant. Ab 1.1.2023 sollen u.a. Krankengeld, Umschulungsgeld, Studienbeihilfe (bereits ab 1.9.2023), Kinderbetreuungsgeld, Familienbeihilfe, Mehrkindzuschlag und Kinderabsetzbetrag valorisiert werden. Für die Aufwertung wird der der Anpassungsfaktor für die gesetzlichen Pensionen gem. § 108f ASVG herangezogen (durchschnittliche Erhöhung der Verbraucherpreise der Monate August des Vorjahres bis zum Juli des laufenden Jahres).